Impressionen aus der Partnerstadt Wroclaw

Ein Besuch in der Europäischen Kulturhauptstadt 2016 lohnt sich

Veröffentlicht am Sonntag, 28. August 2016

Dresden bewirbt sich um den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2025. Mit seltener Einmütigkeit hat der Dresdner Stadtrat diesen Beschluss gefasst. Ein weiterer Grund, die Kulturhauptstadt 2016 Wroclaw (Breslau) einmal genauer anzuschauen...

Johannes-Kathedrale auf der Dominsel in Wroclaw (Breslau). Foto: Brauner

Johannes-Kathedrale auf der Dominsel in Wroclaw (Breslau).

Foto: Brauner

Dresden bewirbt sich um den Titel Europäische Kultur­haupt­stadt 2025. Mit seltener Einmü­tigkeit hat der Dresdner Stadtrat diesen Beschluss gefasst. Auch ein Grund für mich, mir die Kultur­haupt­stadt 2016 Wroclaw (Breslau) einmal genauer anzuschauen. Gut, dass es die direkte Bahnver­bindung Dresden-Görlitz-Zgorzelec-Wroclaw gibt. Die Fahrt dauert rund 4 Stunden und gibt mir Gelegenheit, etwas Beschleu­nigung aus dem Alltag zu nehmen. Das Singel­ticket kann man beim Kunden­be­treuer an Bord des Trilex kaufen. Ab dem Geltungstag berechtigt es innerhalb von 14 Tagen zur einma­ligen Hin- und Rückfahrt. Für Familien und Gruppen gibt es günstige Sonder­tarife. Taschengeld habe ich bereits in Dresden getauscht, pro Tag rechne ich mit 40 Euro, was ca. 160 Zloty entspricht.

Los geht es 18.08 Uhr vom Dresdner Haupt­bahnhof, das kleine Abenteuer kann beginnen. Gegen 22 Uhr erreiche ich Breslau, das Hotel in Bahnhofnähe ist schnell gefunden. Da ich auch die öffent­lichen Verkehrs­mittel der Stadt nutzen möchte, will ich am nächsten Tag zuerst ein Tages­ticket erwerben. Fündig werde ich an dem blauen Fahrkar­ten­au­to­maten an der Bushal­te­stelle direkt am Haupt­bahnhof. So geht es: Sprache wählen, weiter mit Papier­ticket, kurzfristige Fahrten, Fahrdauer, Normal, Anzahl, o.k. und bezahlen. Das Tages­ticket kostet 11, 48 Stunden 20 Zloty. Natürlich geht es zuerst in die histo­rische Altstadt zum Rynek (Markt) mit dem Rathaus und der berühmten astro­no­mi­schen Uhr.

Bereits auf dem Weg dahin begegnen mir die ersten Zwerge, welche, so wird mir schnell klar, die ganze Stadt bevölkern. Sie spielen Karten, zechen, frönen dem Glücks­spiel, schieben Einkaufs­wagen, fahren Motorrad, lassen sich Eis und Pirogen schmecken, telefo­nieren, klettern an Later­nen­masten hoch und belagern Bankau­to­maten. Sie sind frech, ein wenig aufsässig und liebenswert zugleich. Es gibt Feuer­wehrzwerge, Schorn­stein­feger, Musiker und sogar einen Professor. Das kleine Volk wächst jedes Jahr um 30 weitere Figuren. Mit spezi­ellen Stadt­plänen ausge­rüstet eilen Touristen von Fotomotiv zu Fotomotiv.

Anderswo jagt man Pokémons, hier Zwerge! Schnell wird man von diesem Fieber selbst erfasst. Wie Breslau zu den Zwergen kam, dass sie ein Symbol des Wider­standes gegen das kommu­nis­tische Regime waren, spielt dabei eigentlich keine Rolle. Sie sind Kunst, ein bisschen Kommerz, aber vor allem witzig.

Man kann sie auf Tassen, Einkaufs­beuteln, als Schlüs­sel­an­hänger oder in Schnee­kugeln mit nach Hause nehmen. Einer ist übrigens ganz offiziell nach Dresden ausge­wandert. Er wurde anlässlich der 55-jährigen Städte­part­ner­schaft 2014 der damaligen Oberbür­ger­meis­terin übergeben. Mit beiden Stadt­wappen in den Händen steht er am Hietzig­brunnen, zwischen Rathaus und Kreuz­kirche.

Die Liste der touris­ti­schen Ziele in Breslau ist lang und die Auswahl fällt schwer. Archi­tek­tur­in­ter­es­sierte sollten sich für die Hala Stulecia (Jahrhun­dert­halle) sowie die östlich davon gelegene Siedlung mit über 30 Wohnge­bäuden entscheiden. Diese Gebäude waren Teil der Wohnungs- und Werkraum­aus­stellung (WUWA) von 1929. Namhafte Archi­tekten arbei­teten daran, Wohnen neu zu definieren durch Konzen­tration auf das Wesent­liche und das Experi­men­tieren mit neuen Materialien. Ohne die sicht­baren Spuren, von den Zähnen der Zeit einge­kerbt, könnten die Bauten noch heute als modern durch­gehen.

In der Nähe befindet sich auch der Zoo. Wasser­taxis pendeln zwischen den Oderinseln Stadt­mitte, Anlege­stelle Kardy­nalska, und der Anlege­stelle Zoo. Eine Fahrt dauert gemüt­liche 30 Minuten und bietet ganz besondere Ausblicke. So auch auf ein weiteres Wahrzeichen der Stadt, die Grunwald­brücke, eine 200 Meter lange Hänge­brücke mit bewegter Geschichte, und die neuge­staltete Uferpro­menade.

Der Hala Targowa (Markt­halle) sollte man unbedingt einen Besuch abstatten. Wer keine Angst vor dem quirligen Treiben hat, kann hier u. a. die kunst­vollen Grabge­stecke von teilweise gigan­ti­schen Ausmaßen bewundern und bei Katarzyna Galas typische Speisen zu moderaten Preisen genießen. Auch die Dominsel, die heute eigentlich keine Insel mehr ist, und der Besuch des Breslauer Doms mit seinen 98 Meter hohen Türmen sind lohnenswert. Es gibt eine Aussichts­plattform, die, welch glück­licher Umstand, für pflas­termüde Füße, mit dem Fahrstuhl erreichbar ist. An dieser Stelle liegt auch die Wiege der Stadt.

Besonders abends ist das Univer­si­täts­viertel eine Flanier- und Kneipen­meile. Egal worauf man Appetit hat, hier wird man schnell fündig und kann nach Herzenslust schlemmen. Für Figur­be­wusste ist Breslau eine echte Heraus­for­derung. Selbst wenn das bekann­teste Haupt­ge­richt »Schle­si­sches Himmel­reich« nicht jeder­manns Sache ist, lauert die Versu­chung an jeder Ecke. Beim Eis (Lody) wird fast jeder schwach. Im Tralalala gibt es über 90 verschiedene Sorten.

Ein schier babylo­ni­sches Sprach­gewirr schwirrt durch die Gassen. Die Atmosphäre ist entspannt fröhlich. Überall gibt es kleine Kunst­e­vents. Von öffent­lichen Fotoaus­stel­lungen, Straßen­mu­si­kanten mit Niveau, Licht­in­stal­la­tionen bis zu Kinder­be­lus­ti­gungen ist alles dabei. Die Altstadt ist liebevoll saniert und einfach schön anzusehen.

In den Außen­be­zirken gibt es hingegen nicht unerheb­lichen Sanie­rungsstau. Da dort noch heute Spuren des Krieges deutlich sichtbar sind, drehte Steven Spielberg 2014 hier Szenen für seinen Film »Bridge of Spies – Der Unter­händler« mit Tom Hanks.

Fazit: Ein Besuch der Partner­stadt lohnt sich auf jeden Fall – die Kultur­haupt­stadt 2016 ist mehr als eine Reise wert! Darüber hinaus ist sie für den stets willkom­menen deutschen Touristen ein erschwing­liches Vergnügen.

Irina Brauner/Steffen Dietrich

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