Die heitere Muse als Dorfschönheit

Im Gespräch mit Andreas Schwarze, Dramaturg (Teil 7)

Veröffentlicht am Montag, 16. November 2015

Seit drei Jahren erschließt Dramaturg Andreas Schwarze den Fundus der Staatsoperette für ein digitales Archiv. Es diente als Queller für eine Serie über die »heitere Muse als Dorfschönheit«. Zu Recht betont Andreas Schwarze: »Natürlich konnte hier nur ein kurzer Einblick in die Historie dieses Theaters gewährt werden, immer eng verknüpft mit dessen außergewöhnlichem Ensemble und der nicht alltäglichen, herzlichen Verbundenheit der Dresdner zu ihrem besonderen Volkstheater. Hier wurde über Jahrzehnte faszinierende und vielfältige Theatergeschichte geschrieben, die weit über eigene Stadt- und Landesgrenzen künstlerische Maßstäbe für Musiktheater mit Zeitgeist setzte und immer noch setzt!«

Initiator und Kurator des digitalen Archivs

Schon die ersten Erfah­rungen als Student im Praktikum in Leuben und danach 12 Jahre als Regie­as­sistent, Regisseur, Solist und Moderator an der Staats­ope­rette Dresden haben Andreas Schwarze geprägt. Mit einem Augen­zwinkern spricht er voller Stolz von seiner »ältesten Liebe«. In der ganzen Zeit befasste er sich bereits mit der Entwicklung des Hauses seit 1945 und nahm die inter­es­santen Erzäh­lungen der älteren Kollegen in sich auf. Als er 2012 zum Autor und Regisseur der Jubilä­umsgala „65 Jahre Staats­ope­rette Dresden“ sowie Autor des theater­ge­schicht­lichen Teils der Festschrift wurde, war es wohl die logische Folge, auch Initiator und Kurator des neu geschaf­fenen digitalen Archivs der Staats­ope­rette Dresden zu werden. »Als roter Faden durch­zieht die Historie ein fortwäh­rendes Auf und Ab ständig drohender Schlie­ßungen des Theaters, die durch den Einsatz der Mitar­beiter, die künst­le­rische Qualität und den Beistand der Dresdner immer verhindert werden konnten«, beschreibt Andreas Schwarze.

Die ewige Baustelle

An der Bausub­stanz des alten Gasthofes nagt eigentlich schon immer der Zahn der Zeit. Der Theaterbau von 1947 war für eine Bestandszeit von fünf Jahren ausgelegt. Als wegen der prekären Haushaltslage im Oktober 2002 die Operette geschlossen werden sollte, protes­tierten neben Künstlern aus Dresden und der ganzen BRD die Dresdner mit 107.000 Unter­schriften gegen diesen kultu­rellen Kahlschlag. Mit Beginn der Spielzeit 2003/04 waren dann die Schlie­ßungs­ab­sichten überwunden. Ein sensa­tio­neller Gehalts­ver­zicht von acht Prozent ihres Gehaltes bis zum Jahr 2021 besie­gelte im Mai 2009 ein neuer Hausta­rif­vertrag der Theater­leute, um 12 Millionen Euro für einen Neubau beizu­steuern.

»Kulturkraftwerk Mitte«

Schließlich kam 2008 eine anspruchs­volle Vision vom »Kultur­kraftwerk Mitte« auf den Plan, ein Kreativ­zentrum und Doppel­standort für die Operette und das tjg. theater junge generation. 2010 erfolgte der entschei­dende Durch­bruch im zähen politi­schen Ringen um diesen Standort. Der Bau des Kultur­areals im still­ge­legten Kraftwerk am Wettiner Platz wurde vom Stadtrat und der Oberbür­ger­meis­terin Helma Orosz befür­wortet.

Für Andreas Schwarze ist die schöp­fe­rische Kraft dieses Theaters beispielhaft: »In all den Jahren der Unwäg­bar­keiten bestimmte die stete Suche nach neuen Wegen, Publikum zu gewinnen und zu begeistern, die Entwicklung innova­tiver Konzepte, getragen von der Theater­leitung mit ihrem Inten­danten Wolfgang Schaller.« So wurde das Projekt »Operette im 21. Jahrhundert« unter dem Chefdi­rigent Ernst Theis, Chefcho­reo­grafen Winfried Schneider und einer ganzen Riege neuer, junger Sänger und Tänzer erfolg­reich auf den Weg gebracht. Ein Spielplan voller Höhepunkte garan­tiert eine beein­dru­ckende Bandbreite von Gershwin bis Offenbach, von Mozart bis Sondheim. Dazu gehören Gastspiele in München, Essen und Köln sowie vielbe­achtete CD-Produk­tionen, musik­wis­sen­schaft­liche Fachta­gungen und die Auffüh­rungen selten gespielter Meister­werke. 2011 wurde das »Johann Strauss Festival Dresden« etabliert, ein faszi­nie­rendes Theater­er­lebnis neuer Dimension.

Letzte Saison in Leuben

Mit viel Optimismus, Ernst­haf­tigkeit und Freude wird von Anfang an zeitge­mäßes musika­li­sches Volks­theater, anregende Unter­hal­tungs­kunst im besten Sinne gestaltet. Alles Erinne­rungs- und Aufbe­wah­rungs­werte soll erfasst werden. »Mit Kenntnis der Vergan­genheit die Zukunft gestalten – das ist jetzt die Aufgabe«, sagt Andreas Schwarze.

Für sein digitales Archiv wünscht er sich weiterhin viel Material von den Operet­tenfans. Gefragt sind persön­liche Erinne­rungen an Künstler und das Leubener Haus, Theater­pro­gramme von Residenz­theater, Central-Theater und Albert-Theater aus der Zeit vor 1945 und Dokumente von Theater­auf­füh­rungen in den Nachkriegs­jahren. Bedeutend wären auch Fotos aus Altleuben, die etwas vom Bauge­schehen im Gasthof Feenpalast zeigen bzw. Fotos vom Alltag im Wohngebiet seit 1945, auch von Auftritten von Künstlern bei Festen und in Kultur­häusern des Stadt­be­zirkes Ost sowie von der Arbei­teroper und Arbei­ter­ope­rette im Kulturhaus Sachsenwerk. Das Material wird von Andreas Schwarze digita­li­siert und zurück­ge­geben oder auf Wunsch unter dem Namen des Spenders in den Bestand der Staats­ope­rette im Stadt­archiv Dresden eingefügt.

Marion Neumann

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