Verlässliche Nachbarschaft – nie war sie so wertvoll wie heute

Gedanken zum Miteinander – nicht nur in Corona-Zeiten

Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2021

Wie kommt man sich nah in einer Zeit, in der Abstand gefordert ist? Der Stadtteilverein »In Gruna leben« hat darauf Antworten gefunden und fördert nachbarschaftliches Miteinander.

Zunächst der Schock: Positiv getestet, deutliche Krank­heits­zeichen, sofort in Quarantäne und schon ist nichts wie zuvor. Die Isolation bewirkt ein Gefühl von Allein-Gelassen-Sein. Auf einen Schlag kann man sich nicht mehr selber versorgen. So erging es auch einem Ehepaar im Renten­alter in Gruna im Januar. Gibt es im Stadtteil seit kurzem nicht eine Nachbar­schafts­hilfe? Ein Anruf – und zwei Tage später steht der junge Mann mit dem Gewünschten vor der Tür, zwar maskiert, und doch der freund­liche Helfer von nebenan. Wie gut, auf Unter­stützung hoffen zu dürfen im Krank­heitsfall, beim Leben mit Kindern, mit Behin­de­rungen oder Alters­be­schwerden. Insofern Angehörige oft weit weg wohnen, werden Freun­des­kreise und die fußläufige Nachbar­schaft bedeut­samer. Diese Erfahrung machen Engagierte bei Sigus e. V. immer wieder und begannen in der ersten Pande­mie­welle in Gruna, dem Vereinssitz, mit dem zielge­rich­teten Aufbau der Nachbar­schafts­selbst­hilfe. Daran betei­ligen sich Jüngere ebenso wie Menschen an der Schwelle zum Alter und sogar Hochbe­tagte.

Das gelang auch deshalb, weil es gemeinsam mit dem gerade entstan­denen Stadt­teil­verein »In Gruna Leben e. V.« angeschoben wurde, der zum Beispiel ein Lastenrad einbringt. Ein Erfolgs­faktor im nachbar­schaft­lichen Fürein­ander mit Quarantäne-, Begleit- und Gesprächs­hilfen und kleinen Repara­turen unter Nachbarn ist auch die Pflege von Nachbar­schafts­kultur, wozu 2018 der Bürger­treff »Grunaer Aue« als Anlaufort öffnete. Doch dann kam die Pandemie und die nun geltenden Auflagen machen Nachbar­schafts­treffen und -kultur fast unmöglich.

Fast, denn Engagierte erproben seit letztem November neue Formen des Zusam­men­seins. Das umfasst vor allem kleine Gesprächs­formate, die intensive Kontakte und Austausche ermög­lichen, auch wenn man sich dazu nicht persönlich treffen kann. Gegenüber Video- setzten sich Telefon­kon­fe­renzen wohl deshalb durch, weil Telefone allen vertraute Alltags­utensile sind. Die nunmehr einge­rich­teten Telefon­kreise mit moderierten Erzähl­Cafés, Lesestunden wie der allmon­täg­lichen „Litera­ri­schen Telefon­zelle“, Biogra­fie­kreisen oder der Monats­tagung des Runden Tisches der Senioren, Vorru­he­ständler und Behin­derten Dresdens zu Themen wie Stadt­teil­zentren, Erinne­rungs­kultur oder Triage werden von den Inter­es­sierten freudig erwartet. Das wurzelt sicher in der Erfahrung, dass in diesen Runden von fünf bis zwölf Betei­ligten eine Sensi­bi­lität für das Mitein­an­der­sprechen erlebt wird. Es gab auch visuelle Impulse in Gruna – ein über den Stadtteil in verschie­denen Fenstern sicht­barer Advents­ka­lender, ein Oster­spa­ziergang auf Goethes Spuren oder Plakat­ak­tionen zum 13. Februar. Auch wenn wieder persön­liche Treffen möglich sind, wollen wir diese Erfah­rungen in unseren Alltag einbinden – und so werden Hybrid­an­gebote sicher auch künftig etwa Pflege­be­dürf­tigen oder Erkrankten die Teilnahme an kultu­rellen Ereig­nissen eröffnen. Dann hätte die Pandemie uns wohl doch etwas gelehrt?

Nachbar­schafts­hilfe bewährt sich als Grund­element unserer Stadt­teil­kultur und so folgen wir dem an den Bedürf­nissen der vermeintlich Schwächsten wie Pflege­be­dürftige und Einsame ausge­rich­teten Motto: Engage­ment­mög­lich­keiten schaffen, die zur Vorbeugung von Einsamkeit und Zusam­men­wachsen im Stadtteil beitragen. Denn wer selbst hilft, hat mehr Kontakt.

Dr. Peter Müller/Christine Pohl

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