Begegnungen mit der Vergangenheit

Veröffentlicht am Samstag, 13. April 2019

Christoph Albert Bierling war Teil einer berühmten Dresdner Industriellenfamilie, deren Schicksal wenige Generationen später im Bombenhagel Februar 1945 besiegelt wurde. Sein Grab befindet sich auf dem Neuen Annenfriedhof in Löbtau.

Bierling-Grabstätte auf dem Neuen Annenfriedhof. Foto: C. Fritzsche

Bierling-Grabstätte auf dem Neuen Annenfriedhof.

Foto: C. Fritzsche

Bei einem Gang über Friedhöfe fallen Grabstätten histo­ri­scher Persön­lich­keiten auf. 62 mehr oder weniger bekannte Männer und Frauen, die auf Fried­höfen in Dresden und Umgebung ihre letzte Ruhe gefunden haben, stellen Autor Bernd Sonntag und Fotografin Carola Fritzsche in ihrem Buch »Begeg­nungen« vor. Der Schwarz-Weiß-Band ist vor elf Jahren erschienen und berührt mit seinen Lebens­läufen auf ganz besondere Weise. In loser Folge veröf­fent­lichen wir einige dieser Texte.

Christoph Albert Bierling (1824–1904)

Christoph Albert Bierling gründete 1848 eine Rot- und Glocken­gie­ßerei und noch heute künden zahllose Geläute, deren weicher Anschlag geschätzt ist, von der Dresdner Werkstatt. Eine besondere Geschichte können die drei Glocken auf dem Zschach­witzer Friedhof  erzählen. Im 1. Weltkrieg sollten sämtliche Glocken, die nicht histo­risch wertvoll waren, oder zu bedeu­tenden Bauwerken gehörten, einge­schmolzen werden. Kirchen­mu­sik­di­rektor Prof. Johannes Biehle aus Bautzen beschei­nigte dem Zschach­witzer Geläut eine klang­liche Einheit von seltener Reinheit und Schönheit, was zur Folge hatte, dass eine »vorläufige Zurück­stellung von der Enteignung und Ablie­ferung« verfügt wurde.

Die Macht­haber im Dritten Reich inter­es­sierte die Klang­analyse wenig. Sie beschlag­nahmten die große und mittlere Glocke und lieferten sie am 3. Januar 1942 an die Erfas­sungs­stelle ab.

Doch welche Freude, als nach dem Krieg Nachfor­schungen auf dem großen »Glocken­friedhof« in Hamburg ergaben, dass beide noch vorhanden waren. So kehrten sie, 1948 die mittlere und 1949 die große Glocke, auf Elbzillen in ihre Heimat zurück und wurden am 4. Advent 1949 erneut einge­weiht.

Auch Denkmäler entstanden in den Werkstätten der Kunst­gie­ßerei. Gegossen wurden z.B. die eindrucks­vollen Brunnen von Robert Diez, der »Gänse­dieb­brunnen«, »Stilles Wasser!« und »Stürmische Wogen«, das Reiter­standbild König Johann von Johannes Schilling auf dem Theater­platz und das Luther-Denkmal vor der Frauen­kirche. Die Firma produ­zierte jedoch auch weniger eindrucks­volle Sachen: Feuer­spritzen, Metall­teile für Waffen, Armaturen, Pumpen, Leuchter…

Als Christoph Albert Bierling 1904 starb, wurde die Firma über Genera­tionen weiter­ge­führt. Dem Namen Bierling begegnet man auf verschie­denen Fried­höfen. Manchmal weist das Wort »Leder­fa­brikant« auf eine zweite Firmen­ge­schichte, die über 150 Jahre andauerte. Der Bomben­an­griff im Februar 1945 bedeutete nicht nur das Ende der berühmten Gießerei. Das Sterbejahr 1945, das hinter Kindern, Frauen und Männern mit dem Namen Bierling steht, erinnert auch an die Tragödie einer großen Familie.

Gert Scykalka/Steffen Möller

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Kontakt & weitere Infos

»Begegnungen«, Bernd Sonntag, Carola Fritzsche, Verlag Die Fähre, 2008
die.faehre@gmx.de

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