2018 wird ein Jahr der Schulen

Interview mit Ortsamtsleiter André Barth

Veröffentlicht am Donnerstag, 25. Januar 2018

Interview mit Ortsamtsleiter Andrè Barth. In Dresdens Neustadt werden die Schulen Renoviert, die soziale Struktur verändert sich. Behörden behalten Kriminalitätsentwicklung im Auge.

Die Dresdner Neustadt ist sich treu geblieben: Bunt, kreativ und ein bisschen anders, Wohnort und beliebtes Ausgehviertel. Ortsamtsleiter André Barth sieht den Stadtteil auf einem guten Weg. Foto: Möller

Die Dresdner Neustadt ist sich treu geblieben: Bunt, kreativ und ein bisschen anders, Wohnort und beliebtes Ausgehviertel. Ortsamtsleiter André Barth sieht den Stadtteil auf einem guten Weg.

Foto: Möller

Das neue Jahr hat begonnen, 2017 ist Geschichte. Die Dinge in der Neustadt sind weiter voran­ge­kommen. Grund genug Bilanz zu ziehen und einen Ausblick auf 2018 zu wagen. Ortsamt­leiter André Barth empfing die »Neustadt Zeitung« zu einem ausführ­lichen Interview.

Wir schreiben 2018. Sind Sie gut in das neue Jahr gekommen?

Ruhig! Wir haben im Kreise der Familie und Verwandt­schaft ein ruhiges Weihnachten und Silvester gefeiert, haben die Zeit genutzt, um uns ein wenig zu erholen. Es war ein recht anstren­gendes Jahr und die Auszeit hat uns sehr gut getan.

In welcher Verfassung präsentiert sich die Dresdner Neustadt zu Jahresbeginn?

Wir sind wieder gewachsen, haben 2016 die 50.000er-Marke geknackt und liegen in diesem Jahr bei 50.604 Einwohnern. Die höchsten Zuwächse sind in der Albert­stadt und in der Radeberger Vorstadt zu verzeichnen.

In der Äußeren Neustadt ist die Lage stabil. Hier leben genau 18.000 Menschen, neun mehr als zum Vergleichs­zeitraum 2016.

Ansonsten ist die Neustadt geblieben, wie man sie kennt: bunt, kreativ, ein bisschen anders, ein beliebter Wohnort und ein Ausgeh­viertel mit den daraus resul­tie­renden Heraus­for­de­rungen in Sachen Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit. Dieses Jahr, und das kann man schon mal in den Mittel­punkt stellen, wird das Jahr der Schulen. Auf dem ehema­ligen DREWAG-Gelände an der Lößnitz­straße fällt der Start­schuss für den Neubau der 148. Grund­schule. Aktuell läuft die Sanierung des Dreikö­nigs­gym­na­siums. Gleich daneben beginnt die Sanierung der 15. Grund­schule, Görlitzer Straße. Dann wird die energe­tische Sanierung der 19. Grund­schule im Jägerpark und der Turnhal­lenbau für die 30. Oberschule an der Glacis­straße kommen. Auch die lang erwartete Sanierung und der Erwei­te­rungsbau der Berufs­schule »Prof. Dr. Zeigner« stehen auf der Tages­ordnung.

Die soziale Struktur in der Neustadt hat sich verändert. Gibt es für das Szeneviertel eine Chance zu überleben?

Die Neustadt durch­läuft eine Entwicklung wie auch andere Stadt­teile. Stadt­teil­ent­wicklung heißt immer auch Verän­derung. Man bezeichnet das ja als Gentri­fi­zierung und meint damit den Zuzug von gut verdie­nenden Menschen mit anderen Ansichten. Dieser Prozess stagniert inzwi­schen. Die Entwicklung weg vom gut durch­mischten Gebiet ist momentan gestoppt.

Darauf werden sicher viele eine subjektive Sicht haben. Schaut man sich aber bestimmte Kennziffern in den Statis­tiken an, zum Beispiel das Durch­schnitts­alter, den Anteil der Arbeits­losen und SGB-II-Empfänger und die Einkom­mens­ent­wicklung, ergibt sich ein präzises Bild. Die Anzahl der Kinder hat seit 1999 zugenommen. Wir haben eine leichte Zunahme in der Alters­gruppe zwischen 30 und 59 Jahre und kaum Verän­de­rungen in der Alters­gruppe 60+. Das Durch­schnitts­alter ist weitgehend stabil geblieben, es liegt jetzt bei 32,06.

Die Zahl der Arbeits­losen sinkt und lag im Erhebungs­zeitraum 1999 bis 2016 derzeit bei zuletzt 5,46 Prozent.Zum Vergleich: 1999 lag der prozen­tuale Anteil dieser Gruppe noch bei 14,12 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei den Empfängern von SGB-II festzu­stellen.

Auch die Einkom­mens­bilanz kann sich sehen lassen. Die Kommunale Bürgerum­frage weist aus, dass der Anteil der Haushalte mit relativ geringen Einkommen sinkt, im mittleren Bereich ist eine Steigerung zu verzeichnen und die Anzahl der Haushalte mit relativ hohem Einkommen stagniert.

Wird die Neustadt künftig nur noch ein Refugium für Gutbetuchte sein, was ist mit sozialem Wohnungsbau? Stichwort kommunale Wohnungsbaugesellschaft WID.

Die Neustadt ist nach wie vor ein beliebtes Wohnviertel und Fakt ist, dass die Mieten in der Neustadt höher sind als im Durch­schnitt der Stadt. Wir haben hier im Vergleich zur Gesamt­stadt auch weniger Wohnungs­leer­stand. Im Sanie­rungs­gebiet „Äußere Neustadt“ greift Mietpreis­bindung für die ersten Jahre nach der Sanierung von Gebäuden. Es gibt darüber hinaus auch eine gewisse Preis­bindung für den Verkauf. Diese Dinge wirken dämpfend.

Der Wohnungs­markt, das steht außer Frage, entwi­ckelt sich. Oberhalb der Stauf­fen­berg­allee werden rund 1.400 neue Wohnungen entstehen. Das ist schon eine Hausnummer. Um die Neustadt herum herrscht Bewegung, Stichwort Hafencity. Auch dass auf dem Gelände des Alten Leipziger Bahnhofes anstelle des SB-Marktes Wohnungen entstehen, ist inzwi­schen nicht mehr auszu­schließen. Der Wohnungs­markt in der Neustadt wird damit tenden­ziell entlastet.

Für die WID wird die Neustadt aus betriebs­wirt­schaft­lichen Gründen eher weniger inter­essant sein. Zum einen zielt man auf Standorte, an denen jeweils mindestens 70 Wohnungen geschaffen werden können, zum anderen gibt es in der Äußeren Neustadt kaum noch Baulücken.

In jüngster Zeit wurden viele Baulücken geschlossen, gleichzeitig verschwinden Freiräume. Der Alaunpark als einzig wirklich große Grünanlage und grüne Lunge des Stadtteils könnte irgendwann kollabieren. Gibt es Überlegungen, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen?

Einen Kollaps befürchte ich eher nicht. Klima­tisch ist die Neustadt an die Dresdner Heide angebunden. Wir achten sehr darauf, dass die vorhan­denen Kaltluft­schneisen erhalten bleiben. Diese waren im zurück­lie­genden Jahr auch eines der Reizthemen im Ortsbeirat, weil er sehr auf deren Erhaltung geachtet hat.

Man darf auch nicht vergessen, dass wegen der Block­rand­be­bauung in der Äußeren Neustadt viele große Innenhöfe existieren. Es gibt zudem einen langsamen Wandel hin zum ökolo­gi­schen Bauen. Dachbe­grü­nungen, Regen­rück­haltung und Baumpflan­zungen gewinnen mehr und mehr an Bedeutung.

Was den Alaun­platz betrifft: Der Alaun­platz ist durch den Zukauf des sogenannten Russen­sport­platzes vergrößert worden. Dabei handelt es sich im Wesent­lichen um eine große, grüne Wiese. Seitens der Stadt besteht der Wunsch, weitere Teile des Alaun­platzes zu erwerben, insbe­sondere das über dem Russen­sport­platz liegende nördliche Areal bis hin zur Tannen­straße. Bis jetzt ist es beim Wunsch geblieben, da der Freistaat Sachsen als Eigen­tümer derzeit nicht verkaufs­bereit ist.

Großes Potential birgt die Garten­anlage an der Hansa­straße. Bei der Stadt gibt es Bestre­bungen, diese für Besucher öffent­licher zu machen. Bei der geplanten Sanierung des Prieß­nitz­un­ter­laufes ist vorge­sehen, öffent­liche Wege anzulegen.

Stichwort nachhaltige und ökologische Stadtteilentwicklung: Wo sehen Sie die Potentiale der Neustadt?

Prämisse unserer Stadt­ent­wicklung ist der sorgsame und nachhaltige Umgang mit eben dieser Stadt­ent­wicklung. Es gibt beispiels­weise den Luftrein­hal­teplan, der viele Maßnahmen vorsieht, die eine ökolo­gische Wirkung entfalten. Wir haben den Lärmschutzplan. Auch die Fernwär­me­ver­sorgung der Neustadt samt der Speicher­technik trägt maßgeblich zu einer positiven Ökobilanz bei.

Was in einem dicht­be­sie­delten Gebiet wie der Neustadt natürlich auch wirkt, ist das Konzept der Stadt der kurzen Wege. In der Äußeren Neustadt sind mit 3.810 privaten Fahrzeugen, Stand 2016, mit die wenigsten PKW im Verhältnis zur Bevöl­ke­rungszahl zugelassen. Das sind auf ganz Dresden bezogen gerade einmal 1,5 Prozent. Der Umwelt­verbund aus Fußgängern, Radfahrern und Nutzern des ÖPNV ist in der Neustadt sehr ausge­prägt. Auch die vom Stadtrat beschlossene Ausweitung der Parkraum­be­wirt­schaftung und Erhöhung der Parkge­bühren wird künftig dazu führen, dass es für Autos nicht leichter wird. Diese Maßnahmen zielen jedoch nicht auf die Anwohner.

Nicht unerwähnt bleiben sollen Innova­tionen, die aus der Bevöl­kerung kommen. Ich denke dabei zum Beispiel an die Vermeidung von Verpa­ckungsmüll. Entspre­chende Konzepte werden in der Neustadt bereits umgesetzt. Dennoch: Es bleibt viel zu tun!

Mit der Neustadtkümmerin steht den Bürgerinnen und Bürgern seit kurzem eine direkte Ansprechpartnerin zur Verfügung. Haben Sie keine Sorge, dass so neben der Verwaltung eine Parallelstruktur entsteht?

Eindeutig nein, weil die Neustadt­küm­merin eine Mitar­bei­terin der Ortsamtes Neustadt ist und wir somit eine gute und strin­gente Anbindung an die Verwaltung haben. Mit Schaffung dieser Stelle sollen die Hürden für den Zugang zur Verwaltung gesenkt werden. Das ist auch der Gedanke, der dem Kontakt­con­tainer an der Scheune zugrunde liegt.

Es gibt den Ruf nach einem eigenständigen Kulturmanagement für den Ortsamtsbereich: Wie realistisch und sinnvoll ist ein solches Anliegen?

Wenn es darum geht, Vernet­zungen zu schaffen, Räume zu suchen oder Ressourcen gemeinsam zu nutzen, verweise ich auf die Neustadt­küm­merin.

Die Neustadt versinkt in Kriminalität: Hält diese Aussage den Fakten stand?

Diese Aussage spiegelt ein subjek­tives Empfinden wider. Das subjektive Sicher­heits­emp­finden stimmt nicht immer mit der Realität überein. Wenn Sie in einem Stadt­viertel mit geringer Krimi­na­lität leben und Sie werden überfallen, ist Ihr Sicher­heits­emp­finden ein gänzlich anderes, als wenn Sie in einem Stadt­viertel mit hoher Krimi­na­li­tätsrate wohnen, in dem Sie aber noch nie belästigt wurden. Natürlich gibt es dazu keine einheit­liche Meinung. Aber ich spreche mit wirklich vielen Personen. Das Sicher­heits­gefühl in der Neustadt beginnt, sich langsam zu verbessern. Die Präsenz der Polizei und des Ordnungs­amtes wird von der Bevöl­kerung positiv wahrge­nommen. Man muss zu dieser Krimi­na­lität auch sagen, dass sie sich auf die Abend- und Nacht­stunden der Wochen­enden konzen­triert.

Wenn wir die Fakten anschauen, die das Sicher­heits­gefühl beein­träch­tigen, verzeich­neten wir zum Beispiel bei den Diebstahls­de­likten von 2014 zu 2015 einen Anstieg im oberen einstel­ligen Bereich und von 2015 zu 2016 einen im unteren einstel­ligen Bereich. Bei den Rohheits­de­likten, der einfachen und gefähr­lichen Körper­ver­letzung, gibt es im Zeitraum von 2015 zu 2016 prozentual einen Anstieg im mittleren einstel­ligen Bereich. Das sind in absoluten Zahlen 774 Fälle im gesamten Ortsamts­be­reich. Im Bereich der Rausch­gift­de­likte hingegen haben wir von 2014 zu 2015 einen Rückgang im unteren zweistel­ligen Bereich und zu 2016 im unteren einstel­ligen Bereich.

Als Fazit: Die Krimi­na­lität in der Neustadt wird von uns sehr ernst genommen, gerade auch in Hinblick auf das indivi­duelle Sicher­heits­gefühl. Die Präsenz der Ordnungs­kräfte wird auch in diesem Jahr aufrecht­erhalten. Wir werden auch den gesamt­ge­sell­schaft­lichen Ansatz bei der Krimi­na­li­täts­be­kämpfung weiter verfolgen. Eine Aussage, die Neustadt versinke in Krimi­na­lität, kann in dieser Absolutheit von mir nicht bestätigt werden.

Vielen Dank für das Gespräch. Die Fragen stellte Steffen Möller. Teil II des Inter­views lesen Sie in unserer Februar­ausgabe.

Steffen Möller

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